Epischer Kampf gegen das Wetter und die wohl schwierigste Strecke bei der UCI 2020 Mountainbike Weltmeisterschaft
Epischer Kampf gegen das Wetter und die wohl schwierigste Strecke bei der UCI 2020 Mountainbike Weltmeisterschaft
Das Oktoberwetter in den österreichischen Alpen sorgte pünktlich zum Finaltag der UCI 2020 Downhill Mountain Bike World Championships mit Schneefall und Schneeregen für eine zusätzliche Erhöhung der Schwierigkeit. Früh war klar, dass nur ein spektakulärer Lauf in den widrigen Bedingungen zu Gold führen würde. Und die Erwartungen wurden übertroffen.
Camille Balanche holt überraschend Gold, Silber für Frankreich, Bronze für Slowenien
Alle Fahrerinnen hatten sichtlich mit den extrem nassen Bedingungen und dem knietiefen Schlamm in der zweiten Hälfte des anspruchsvollen Kurses zu kämpfen. Mit einer starken, fast fehlerfreien Leistung und einer Zeit von 5:32.59 Minuten setze sich die Britin Mikayla Parton früh an die Spitze und wurde erst von der Weltmeisterin von 2019, Myriam Nicole (FRA), verdrängt. Trotz eines Sturzes im unteren Teil der Strecke, schaffte es Nicole zunächst am Schnellsten durch die neue, steile Waldsektion und übernahm mit einer Zeit von 5:11.556 die Führung.
In der Folge scheiterte Fahrerin um Fahrerin an der Zeit von Nicole und daran, sturzfrei durch den tiefen Schlamm in der nahezu unfahrbaren unteren Waldsektion zu kommen. Mit einer spektakulären Leistung bewies Camille Balanche (SUI) allerdings, dass nahezu unfahrbar, nicht unfahrbar heißt. Stark gestartet, hielt die Schweizerin das Tempo in der ersten Hälfte des Speedster hoch und attackierte die zweite Hälfte mit einer kontrollierten Linienwahl und unfassbarem Geschick als einzige Frau sturzfrei um schließlich die Ziellinie mit einer Zeit von 5:08.426 als Schnellste zu überqueren.
In der Folge sah Balanche vom Hot Seat aus zu, wie auch Favoritinnen wie Monika Hrastnik (SLO) und Tracey Hannah (AUS) durch Stürze an ihrer Zeit scheiterten, bis schließlich feststand, dass sie mit ihrer spektakulären und fehlerfreien Fahrt die erste Goldmedaille in der Geschichte des Downhillsports der Frauen für die Schweiz geholt hatte. Myriam Nicole gewann Silber für Frankreich, Monika Hrastnik Bronze für Slowenien. Beste Deutsche wurde Raphela Richter mit dem sechsten Platz vor Nina Hoffmann auf Rang Sieben und Sandra Rübesam auf Rang 10.
Die österreichische Medaillenhoffnung Vali Höll verletzte sich heute morgen im Training am Sprunggelenk und konnte leider nicht an der WM im Salzburger Land teilnehmen.
Camille Balanche: „Mein Ziel war es, nicht zu stürzen und Linien zu wählen, die auch im Nassen sicher funktionieren würden. Ich kann das hier alles noch gar nicht fassen. Es fühlt sich surreal an, Weltmeisterin zu sein. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich glaube, ich brauche noch einige Zeit, bis ich das wirklich glauben kann.“
Spektakel bei den Männern – Gold für Wilson, Silber für Österreich
Im dichten Schneetreiben am Start war schnell klar, dass bei den Männern ein fehlerfreier Lauf nicht automatisch zum Sieg reichen würde. Mit einer starken Vorstellung und einem schnellen, fehlerfreien Lauf setzte der Deutsche Johannes Fischbach ein frühes Ausrufezeichen und übernahm mit knapp über 10 Sekunden Vorsprung und einer Zeit von 4:01.428 die Führung. Ganze 14 Fahrer scheiterten an dem 32-jährigen Deutschen bevor Jack Moir (AUS) die Zeit von Fischbach erstmals in Gefahr bringen konnte. Mit einem couragierten und sauberen Lauf übernahm der Australier schließlich die Führung. Doch dann schlug die Stunde von Reece Wilson.
Der 24-jährige Schotte hatte bereits im Training in den Tagen vor dem Finale mit seiner Linienwahl und seinem Speed im gesamten Fahrerfeld für unglaubliches Staunen gesorgt und behielt die Nerven in seinem Rennlauf. Mit High Speed und einer außergewöhnlichen Linienwahl zeigte der Schotte trotz widrigsten Bedingungen einen hochriskanten und spektakulären Lauf am absoluten Limit, an dessen Ende er sturzfrei mit einer Zeit von 3:51.243 und über sieben Sekunden Vorsprung, die Führung übernahm. Am Start warteten jedoch noch über 30 weitere Fahrer auf ihre Chance, das Regenbogentrikot zu gewinnen.
Doch Fahrer um Fahrer scheiterte am jungen Schotten. Ob auf Grund von Stürzen, wie beim viermaligen Leogang Sieger Aaron Gwin (USA), den ehemaligen Junioren Weltmeistern Finn Isles (CAN), Matt Walker (GBR) und Thibault Daprela (FRA), oder auch mit fast fehlerfreien Läufen, wie denen von Thomas Estaque (FRA), Greg Williamson (GBR) und Baptiste Pierron (FRA), keiner kam in die Nähe der Zeit von Wilson. Erst mit Beginn der Top 15 Fahrer und dem Franzosen Rémi Thirion stieg die Nervosität des jungen Schotten. Mit einer sehr guten und schnellen Startsektion im Rücken ging Thirion im neuen Waldabschnitt volles Risiko. Doch auch der spektakuläre Ritt des Franzosen kam nicht näher als sechs Sekunden an die Zeit von Wilson heran.
Die nächste ernste Gefahr für den Schotten kam in Gestalt des Österreichers David Trummer. Mit nur 0,3 Sekunden Rückstand bog Trummer in die allesentscheidende Waldsektion ein und lieferte einen sauberen Ritt am absoluten Limit. Trotz der herausragenden Leistung bei seiner Heim-WM fehlten Trummer am Ende jedoch immer noch 3.19 Sekunden auf Wilson. Nach Trummer folgten nur noch sechs Fahrer, doch auch die großen Namen wie Greg Minnaar, Loris Vergier, Troy Brosnan und Danny Hart bissen sich im unteren Waldstück an Wilsons Zeit die Zähne aus. Als schließlich auch der letzte Starter, der viermalige Weltmeister Loic Bruni (FRA), im letzten Waldstück stürzte, kannte die Freude bei Wilson keine Grenzen mehr. Mit seinem unglaublichen Lauf sicherte sich der Schotte Gold, David Trummer gewann Silber bei seiner Heim WM, Rémi Thirion holte Bronze für Frankreich.
Bester Deutscher wurde, nach einer großartigen Vorstellung, Johannes Fischbach auf Platz Neun.
Reece Wilson: „Ich habe keine Ahnung, was genau heute bei mir richtig lief. Ich war bereit, für die nassen Bedingungen aber, dass es so laufen würde, hätte ich nie gedacht. Ich habe das Jahr Auszeit von den Rennen gebraucht, um mir die Selbstsicherheit nach meinen Verletzungen wieder zurückzuholen. Ich kann es nicht fassen. Das ist alles viel zu verrückt.“
David Trummer: „Die Bedingungen waren richtig, richtig zach und es war ein extremer Kampf. So eine schwierige Strecke bin ich schon ewig nicht mehr gefahren. Der Schlüssel war glaube ich einfach, dass man im unteren Teil auf dem Rad bleibt und ich habe mir den ganzen Run gedacht, also wenn ich es mal bis zum untern Wald schaffe, dann muss ich echt einen Gang zurückschrauben und gar nichts mehr riskieren und das habe ich wohl geschafft.
Auf jeden Fall extrem geil, dass wir heuer hier in Leogang noch eine WM haben – das habe ich echt nicht mehr mit gedacht. Ich liebe den Bikepark und den Ort hier und bin sehr oft da. Hier dann auch noch Silber zu gewinnen… Schöner geht es eigentlich nicht.“
WM-Gold für Frankreich bei Downhill Juniorinnen, O Callaghan gewinnt überraschend Gold für Irland
Begonnen hatte der letzte WM Tag mit den Final-Läufen der Downhill Juniorinnen und Junioren.
Lauryne Chappaz (FRA) ist die neue Weltmeisterin bei den Downhill Juniorinnen. Bei herausfordernden Bedingungen bewahrte sie einen kühlen Kopf und überquerte mit einer Zeit von 5:41:50 die Ziellinie. Die Silber-Medaille ging mit einer Zeit von 6:28:31 an die Österreicherin Sophie Gutöhrle, die bereits letzte Woche beim Crankworx Innsbruck mit dem ersten Platz bewies, was sie auf dem Bike draufhat. Bronze ging dank Leona Pierrini, die mit sieben Sekunden Rückstand auf Gutöhrle ins Ziel kam, abermals an Frankreich.
Auf Seiten der Junioren konnte sich Óisin O'Callaghan (IRL) mit einer hervorragenden Zeit von 04:02:14 überraschend das Regenbogen-Jersey sichern. Silber ging an den Briten Daniel Slack, Bronze an James Elliott (UK). Mit einer Top 10 Platzierung und einer Zeit von 4:25:01 wurde Gabriel Wibmer bester Österreicher bei den Downhill Junioren.
Die Live-Wiederholungen der Elite Rennen sind auf der ZDF Mediathek on demand verfügbar.