Wie Leoganger Eis einst die Bierindustrie bereicherte
Das Birnhorn ist mit 2.634 Meter der höchste Punkt der Leoganger Steinberge und zählt sogar zur zweithöchsten Felswand der Ostalpen. Die Südostwand des riesigen Massivs fällt dabei in Richtung Leogang und Saalfelden und an ihrem Fuß befindet sich die Karstquelle des "Birnbachloches", welches heute ein beliebtes Wanderziel im Sommer ist. Probiert zum Beispiel unsere Klimawanderung.
Leoganger Eis sorgt für kaltes Bier in Bayern
Vor mehr als 120 Jahren verdankten Biertrinker aus München und anderen Teilen Bayerns ihr Gut dem Salzburger Berg. Denn von hier aus wurde der von der Natur aus, zu Eis umgewandelte Lawinenschnee mit der Eisenbahn nach Deutschland zu großen Brauereien verfrachtet und für die Kellerkühlung im Sommer verwendet. Auf den Spuren von jüdischen Holocaust-Opfern, hat der Wiener Historiker Robert Streibl außerdem eine weitere besondere Entdeckung über den ehemaligen Birnhorn-Gletscher in Leogang gemacht. Er hat herausgefunden, dass das natürlich abgebaute Eis nicht nur zur Bierkühlung diente. Im 19. Jahrhundert war es auch in weiten Teilen Europas besonders beliebt zur Kühlung von Lebensmitteln.
Pinzgauer Eis von Prag bis Frankfurt mit der Bahn
Beim Erforschen der Geschichte eines alten Wiener Hauses stoß der Wissenschaftler Streibl auf historische Spuren aus den Leoganger Bergen. Im ersten Bezirk Wiens, in einem Haus in der Teinfaltstraße, lebten bis zur gewaltsamen Auslöschung durch Nationalsozialisten, vorwiegend jüdische Künstler, Rechtsanwälte und Inhaber von Handelsbetrieben. In diesem Umfeld wurde eine ganze Palette an österreichischen Biografien und Identitäten gefunden und ein Detail betrifft auch die Pinzgauer Geschichte. Denn im 19. Jahrhundert befand sich in diesem Haus auch die Geschäftsführung der "Österreichischen Eiswerke". Durch die milden Winter, die damals schon öfter herrschten, wurde Natureis international angeboten und es befanden sich Filialen in Prag, Budapest, München, Frankfurt, Dresden und Breslau. Dabei wich man auf das Eis aus dem Leoganger Hochgebirge aus, wenn kein Nachschub aus den Teichen im Umfeld von Wien verfügbar war.
Entwicklung von Kühlschranksystemen kam nur langsam
Zu dieser Zeit waren Kühlschränke im modernen Sinn noch kaum verbreitet beziehungsweise viel zu teuer und die Lebensmittelindustrie sowie private Haushalte belieferten ihre Keller in der warmen Jahreszeit mit Eisblöcken. Diese wurden im Winter mit der Eisenbahn in die Städte geliefert und dort in kalten Kellern oder unterirdisch für den Endverkauf deponiert. Einer der wichtigsten Bezugspunkte dafür befand sich an der Bahnlinie zwischen Zell am See und Wörgl, nämlich der Fuß des Birnhorn Gletschers in Leogang. Außerdem hat der deutsche Carl Linde, die von ihm erfundene Kältemaschine, erst im Jahr 1876 marktreif gemacht. Bis sie aber wirklich weltweit verwendet werden konnte, dauerte es noch einige Zeit, daher musste man sich weiterhin mit natürlichem Eis behelfen.
Abbau von Leoganger Eis
Der kristallklare Rohstoff aus den Leoganger Steinbergen türmte sich regelrecht beim Birnbachloch am Fuß der Wand auf. Das begehrte Eis entstand über die Sommermonate aus dem Lawinenschnee und die Arbeiter schnitten es im folgenden Winter und Frühling in Blockformen aus. Diese wurden dann weiter ins Tal verfrachtet und für die Verladung zur Bahnstation über spezielle Holzrutschen transportiert. Bisher war nur bekannt, dass das Leoganger Eis von Brauereien in weiten Teilen der Habsburgermonarchie, Bayern und Franken bestellt wurde. Durch viele Politik- und Kriegswirren geriet es allerdings in Vergessenheit, dass das Geschäft mit dem Eis im 19. Jahrhundert sehr lukrativ im Salzburger Pinzgau war.
Bilder: Julian Gruber, ORF.at
In Anlehnung an den Artikel Birnhorn-Natureis: Einst Verkaufsschlager in Europa