Musikalische Entdeckungsreise: Das 44. Jazzfestival Saalfelden im Rückblick
Nach über 60 Konzerten in- und outdoor, in der Stadt und der umliegenden Natur, auf festen Bühnen und improvisierten Spielflächen ist es kaum zu glauben, und doch: bei diesem prall gefüllten Programm verging die 44. Ausgabe wieder einmal im Nu. Unzählige musikalische Entdeckungen und persönliche Begegnungen ließen den Schlaf bei den Besucher:innen zur Nebensache werden.
Ein gelungener Auftakt
Den inoffiziellen Auftakt am Donnerstag machte das schon fast traditionelle "We Hike Jazz" mit Lukas Kranzelbinder. 40 musik- und naturbegeisterte Mitstreiter:innen begleiteten Kranzelbinders Weg: Mit geschultertem Bass ging es - unterbrochen von außergewöhnlichen musikalischen Pausen - auf die auf 1.500 Höhenmeter gelegene Lindlalm, um dort in malerischer Umgebung das Abschlusskonzert zusammen mit Leila Martial, Mats Gustafsson und Théo Ceccaldi zu spielen. In Saalfelden selbst stimmte das Berliner Septett "Make A Move" auf der Festivalwiese die ersten Besucher:innen auf ein Wochenendprogramm im Stadtpark ein, das vor allem bei den tanzbegeisterten Musikliebhabern kein Bein stillstehen ließ. Und davon gab es viele, denn noch nie nahmen so viele Besucher:innen dieses kostenlose Angebot im zentralen Festivaltreffpunkt an und bestätigen Mario Steidl, Marco Pointner und ihrem Team, dass die Konzerte kein Geheimtipp mehr sind.
Innovative Klangerlebnisse im Nexus und der Otto-Gruberhalle
Artist in Residence Chris Janka präsentierte im Nexus sein Totally Mechanized MIDI Orchestra. Das menschlich-mechanische Klangabenteuer, gespickt mit interaktiven Recordings aus der Stadt Saalfelden selbst, offerierte an den folgenden Festivaltagen den verschiedensten Musiker:innen eine Spielwiese der Überraschungen. Auch die französisch-belgisch-portugiesische Formation "Bonbon Flamme" um Valentin Ceccaldi, Fulco Ottervanger, Luis Lopes und Étienne Ziemniak sowie "otherMother" um Arthur Fussy, Judith Schwarz und Jul Dillier demonstrierten exemplarisch, dass sich die Konzerte im Nexus nicht in musikalische Schubladen stecken lassen. In der Otto-Gruberhalle bot der industrielle Charme des Venues den perfekten Rahmen für die experimentellen Improvisationen der österreichischen Formation Regenorchester XVII. Hochkonzentrierte Soundtüftler rund um den Trompeter Franz Hautzinger ließen die Halle zu einem schaurig-schönen Klangerlebnis werden.
Musikalische Höhepunkte am Festival-Freitag
Schon früh am Festival-Freitag ging es auf die Einsiedelei. Bei Ankunft noch von morgendlichem Nebel umschlossen, lieferten die beiden Blechbläser Eberle & Eberl mit ihrer musikalischen Andacht zum Durchbruch der Sonne den passenden Soundtrack. Ein Geburtstagsständchen für den derzeitigen Einsiedler Alois Penninger ließ auch das Publikum mit entsprechendem Schwung entweder weitere Höhenmeter oder den Rückweg meistern.
Zurück in der Stadt starteten Sängerin Laila Martial zusammen mit Cellist und Elektroniker Valentin Ceccaldi mit ihrer "Suche nach einer imaginären Folklore" die Konzertfolge im Nexus, und kurz darauf gab Ceccaldis Bruder Théo im Duo mit Tomeka Reid den Auftakt der musikalischen Begegnungen in der Buchbinderei Fuchs. Der Rest des Festivaltages wurde mit all seinen Spielstätten zu einem Parforceritt durch musikalische Welten: Ob die Noise-Offensive des Trios Millà/Gustafsson/dieb13 die klassischen Hörgewohnheiten herausforderte, oder Botticelli Baby mit scheinbar unheiligen Allianzen zwischen Jazz, Blues, Balkan und Punk spielte, oder die minimalistischen Big Beats des österreichischen Trios "Radian" sich zwischen akustischer Identifikation und klanglicher Distanz bewegten.
Eröffnung der Mainstage und internationale Klänge
Als Dreh- und Angelpunkt des Festivals wurde die Mainstage des Congresses in Saalfelden offiziell durch Mona Matbou Riahi und die Premiere ihres Projekts "Nebulift" eröffnet. Sie verwandelte den Saal in einen stetig changierenden Soundraum zwischen Komposition und Improvisation. Die Kanadierin Kris Davis und ihr Trio schlugen einen musikalischen Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne, während Daniel Erdmann und seine "Thérapie de couple" mit einem ebensolchen die Länder Frankreich und Deutschland verband - wobei das humorvolle Augenzwinkern sich sowohl in der Musik als auch in den Ansagen des Bandleaders wiederfand. Als Abschluss der Congress-Konzerte am Freitag ließ die unglaublich stimmgewaltige Sofia Jernberg mit ihrer Formation "The End" Industrial Grindcore Free Jazz auf Sing & Noise Hardcore Folk-Ästhetik treffen.
Der Festival-Samstag und -Sonntag zeigten sich nicht minder gegensätzlich, und neben intimen musikalischen Begegnungen wie Sofia Jernberg und Cellistin Tomeka Reid oder auch Gitarristin Mary Halvorson mit Schlagzeuger Tomas Fujiwara rockten Großformationen wie das niederländische Brainteaser Orchestra, das Synesthetic Octet oder das North East Ska*Jazz Orchestra zusammen mit der Wicked Dub Division sowohl die Mainstage als auch die Bühne des Stadtparks.
Ein gelungenes Festival mit bleibendem Eindruck
Als Programm-Highlights galten für viele Besucher:innen neben Erik Friedlander’s "The Throw" und Amirtha Kidambi’s Elder Ones auch Sylvie Courvoisiers "Chimaera" und The Messthetics zusammen mit Saxophonist James Brandon Lewis, was die unglaubliche Offenheit der Zuhörer:innen auch dieses Jahr widerspiegelte. Aber auch deren Ausdauer, wenn nach den Hauptkonzerten viele der Unermüdlichen noch ins Nexus pilgerten, um die Sessions in der Bar des Kunsthauses bis zum Schluss spät in der Nacht zu verfolgen. Trotzdem begaben sich etliche von ihnen gleich am Morgen danach in die Natur, um im Kollingwald, auf den Almen oder am Ritzensee den Tag wieder mit dem zu beginnen, mit dem der vorige endete: mit Musik.
"Die diesjährige Ausgabe wird ganz besonders in mir nachklingen, denn mein 20jähriges Jubiläum beim Jazzfestival Saalfelden so erleben zu dürfen, verschlägt selbst mir den Atem", so Mario Steidl, Intendant des Festivals.
Marco Pointner, Veranstalter des Jazzfestivals, freut sich: „Wir blicken auf ein äußerst erfolgreiches 44. Jazzfestival Saalfelden zurück. Mit einer beeindruckenden Auslastung von 97% konnten wir einmal mehr zeigen, dass das Interesse an diesem einzigartigen Musikevent ungebrochen ist. Die Besuche belaufen sich in diesem Jahr auf insgesamt über 28.000 Konzertbesuche. Besonders hervorzuheben ist das vielfältige Publikum, das sich an verschiedenen Veranstaltungsorten eingefunden hat. Es freut uns besonders zu sehen, dass das Festival von Jahr zu Jahr jüngere und internationalere Gäste anzieht. Dies trägt nicht nur zur lebendigen Atmosphäre bei, sondern zeigt auch, dass wir ein breites, weltweites Publikum ansprechen. Auch die Einheimischen zeigen zunehmend mehr Interesse an der Veranstaltung, was sich in einem steigenden Zuspruch widerspiegelt. Ein weiterer positiver Trend ist die zunehmende Zahl der Übernachtungen. Immer mehr Besucher:innen nutzen die Gelegenheit, ihren Aufenthalt in Saalfelden und der Umgebung zu verlängern, was die lokale Tourismusbranche stärkt. Das Festival wurde mit einem Gesamtbudget von etwa 870.000 Euro organisiert, wovon 180.000 Euro durch den Ticketverkauf generiert wurden. Diese Zahlen verdeutlichen, dass das Jazzfestival Saalfelden nicht nur ein kulturelles Highlight, sondern auch ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor für die Region ist. Die Wertschöpfung des Festivals kann auf etwa 2,18 Millionen Euro geschätzt werden, was die positive ökonomische Wirkung auf die lokale Wirtschaft eindrucksvoll unterstreicht. Wir danken allen Besucher:innen, Künstler:innen, Sponsoren und Partnern für ihre Unterstützung und freuen uns bereits auf das nächste Jahr!“
Auf bald – im nächsten Jahr, wenn vom 21. bis 24. August 2025 das 45. Jazzfestival Saalfelden Kenner:innen und Genießer:innen von nah und fern auf neue musikalische Entdeckungsreisen schicken wird.