Warum Saalfelden?
Berge gibt es auch anderswo, Seen und wunderschöne Almen. Nette Menschen, gutes Essen und traumhaftes Wetter? Warum nicht das Wochenende im August lieber in der Stadt als auf dem Land zu sein – wo doch gerade die Metropolen als Hotspot für Kultur gelten? „Weil die anderen alle hier sind: in Saalfelden“, so eine langjährige Besucherin. „Die weltweite Fangemeinde der improvisierten Musik, der Speerspitzen des zeitgenössischen Jazz‘ alle sind sie hier, in Saalfelden.“ Dort wo vor über 40 Jahren ein paar enthusiastische Musikfreunde ein Festival aus der Taufe hoben, ist mittlerweile seit vielen Jahren mit dem Jazzfestival Saalfelden das wichtigste internationale Jazzfestival des SalzburgerLandes beheimatet. Und es lebt neben all der Musik eben auch von der Kulisse, der Natur, die einem an jeder Ecke ins Auge springt, von der Intimität der kleinen Orte und der zugleich Weltoffenheit der internationalen Musikergemeinde.
In den letzten Jahren hat sich viel getan bei der Struktur des Festivals – neben den Hauptbühnen gibt es mehr Gratisbühnen, neue Orte und eine alte Fabrikhalle, die alle das Gefühl von Urbanität fühlen lässt. Das Publikum hat sich verändert, ist gewachsen, jünger geworden, ohne die älteren Fans zu verlieren. Rund 20.000 Konzertbesuche – erneut Rekordzahlen. Die Besucher sind offen und neugierig dabei gewesen und waren nicht zu stoppen, wenn viel zu früh der Wecker klingelte, um eines der vielgefragten Almkonzerte zu erleben, obwohl erst nachts um 04.00 Uhr die allabendliche Session endete.
Das Saalfeldener Festival ist ein Komplettpaket: ob die seligen Camper vor wunderschöner Kulisse am Ritzensee, ob die vielfältigen Klänge von Konzerten und spontane musikalische Begegnungen, die den Ort zu Fuße des Steinernen Meers zum Schwingen brachten oder gar die persönlichen Begegnungen mit geplanten oder spontanen Wegbegleitern während des Festivals, mit denen die vielfältigen Entdeckungen geteilt wurden. Und zu entdecken gab es viel:
Schon der Auftakt am Donnerstag demonstrierte die immense Spannbreite des Programms. So wurde beispielsweise der Stadtpark in Saalfelden gleich zu Beginn durch die österreichische Band Orges & The Ockus-Rockus Band, u.a. mit Saxophonist Andrej Prozorov und Keyboarder Benny Omerzell als tatkräftige Unterstützung, zum musikalischen Schmelztiegel namens „Balkanbilly“ aus Rock, Reggae, Blues, Swing, Gipsy, Country und der albanischen „muzika popullore“. Später loteten die Musikerinnen des Stockholmer Trios Ullén/Bergman/Lund im Rahmen der Short Cuts Konzerte Klangräume von sanfter Tonmalerei zu kollektivem Krach aus und das Kölner Trio Malstrom schien dem industriellen Anreiz der mittlerweile fest etablierten Spielstätte Otto-Gruberhalle zu huldigen.
Der Beginn des Freitags stand mit Mojo Incorporation im Zeichen des musikalischen Brückenschlags zu den Sixties und Seventies – kulinarisch mit Frühstücksbuffet begleitet – gefolgt von erstmaligen Formationen wie das Duo Myra Melford am Klavier und Hamid Drake am Schlagwerk ebenso wie von festen Bands wie dem Tesserae Trio um den deutschen Schlagzeuger Tilo Weber, den österreichischen Pianisten Elias Stemeseder und den in Saalfelden vom letzten Jahr gut bekannten schwedischen Bassisten Petter Eldh. Sie wurden im zweiten Set vom Musikkritiker Henning Bolte begleitet, der seine Hörerfahrungen synchron in visuelle Kunstwerke auf dem Papier gleich mehrfach während des Festivals umsetzte.
Die Bühne der Mainstage im Congresszentrum gehörte zum offiziellen Eröffnungskonzert dem preisgekrönten österreichischen Musiker Lukas König. Mit Kommission des Festivals versehen, lud er sich die in Belgien ansässige Bassistin Farida Amadou sowie die Amerikaner Pat Thomas an den Tasten und Electronics und Luke Stewart am Bass ein und bewies erneut seine musikalische Vielseitigkeit.
Die City Tracks im Stadtpark waren während des Festivals beispielsweise mit dem Trio Dives, Uche Yara und ihrer Formation, Bibiza oder Moreland zumeist in österreichischer Hand, die Shortcuts brachten mit musikalischen Konstellationen wie Ruth Goller & Training und Cosmic Brothers, Dōjō & Eivind Aarset oder auch Stellar Stutter unterschiedliche Grooves, Beats und Sounds ins Nexus. Als Artist in Residence entlockte die japanische Künstlerin Michiyo Yagi in den verschiedensten Projekten ihrer seltenen Koto ungewöhnliche Klänge. „Es war eine der größten Ehren meines Lebens, hier in Saalfelden Artist in Residence gewesen zu sein“, so die Künstlerin kurz vor ihrem letzten Konzert im Rahmen des Festivals. Als weiterer Artist in Residence konnte Andreas Schaerer wieder mal beweisen, dass seine stimmliche Akrobatik außergewöhnlich ist und präsentierte mit seinem Trio Schaerer/Kalima/Lefebvre auch gleich die Premiere seiner im September erscheinenden CD.
Vier Tage, 13 Spielstätten, gut 60 Konzerte und zig Flashmobs unter anderem mit Klarinettist Pepe Auer fanden mit der Spritual Unity Session unter der Leitung des österreichischen Bassisten und Komponisten Lukas Kranzelbinder ihren Ausklang und ließen die Nimmermüden auch nach dem Abschlusskonzert vom Dave Douglas New Quintet ins Nexus strömen. Es wundert nicht, dass hier die Nacht zum Tag wurde, da allen schon der Abschied ins Haus stand und doch niemand gehen wollte.
Auf bald – im nächsten Jahr, wenn vom 22. bis 25. August 2024 das 44. Jazzfestival Saalfelden Kenner:innen und Genießer:innen von nah und fern auf neue musikalische Entdeckungsreisen schicken wird.
Zahlen und Fakten Jazzfestival Saalfelden 2023:
• Über 20.000 Konzertbesuche
• 60 Konzerte (davon mehr als die Hälfte kostenlos)
• 13 Spielstätten
• 98% Auslastung auf der Mainstage. Rekordergebnis!
• Die Shortcuts und Wanderungen waren restlos ausverkauft.
• Budget: 830.000 Euro
• Rund 180 Journalist:innen und Veranstalter:innen
• 150 Mitarbeiter:innen
• 176 Künstler:innen aus 14 Ländern und 5 Kontinenten